Manche Kompetenzen lassen sich nicht aus Büchern lernen und sind im Berufsleben dennoch von Nutzen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Ihnen die Erfahrungen an der Universität helfen können, um diese Kompetenzen in der Praxis zu zeigen.
Hintergrund
Während des Studiums an der Universität werden in vielen Kursen Gruppenarbeiten durchgeführt. Die Arbeit in einer Gruppe kann kompliziert sein, aber sie fördert die Entwicklung sogenannter überfachlichen Kompetenzen. Sie werden im gewählten Fachbereich ggf. nicht direkt gebraucht, sind aber für das spätere Berufsleben wichtig. Überfachliche Kompetenzen sind zum Beispiel:
- Kognitive Kompetenzen
Im Team arbeiten, analytisches Denken zeigen, konzeptuell arbeiten, mit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenarbeiten - Soziale Kompetenz:
Die verbale Kommunikation klären, abwechselnd sprechen, zuhören und die Meinung anderer berücksichtigen, ein Argument entwickeln, andere Meinungen als die eigene verstehen und über Entscheidungen verhandeln - Ausführungskompetenzen:
Ordnungssinn, Genauigkeit und Qualitätsbewusstsein, Umgang mit Zeitdruck durch Planung und Organisation, selbstständiges und proaktives Handeln bei der Arbeit - Kompetenzen in Bezug auf die Einflussnahme:
Verantwortung übernehmen, Wissen teilen, eine gewisse Führungsrolle ausüben um ein Projekt zum Erfolg zu führen, eine Organisationsform teilen - Persönliche Kompetenzen:
Sich an Abmachungen halten, stressresistent sein, Flexibilität, Kreativität und Lernbereitschaft zeigen, Selbstvertrauen entwickeln
Manche Menschen lieben es, in Gruppen zu arbeiten, während andere diese Sozialform als schwierig empfinden. Manche Menschen achten auf die Gleichheit der geleisteten Arbeit, anderen ist das weniger wichtig.
Es gibt keinen perfekten Weg, um Gruppen zu bilden. Diese Aufgabe ist daher auch für die Dozierenden nicht ganz einfach zu organisieren. Werden die Gruppen nämlich zufällig (oder anhand von Merkmalen wie Familiennamen) gebildet, können leistungsheterogene Gruppen entstehen. Das kann zur Folge habe, dass leistungsstarke Studierende mehr Arbeit zu bewältigen haben als leistungsschwache Studierende. Wenn Studierende selbständig Gruppen bilden, gruppieren sie sich unter Umständen mit befreundeten Personen. Das kann nett sein, wirkt aber ggf. nicht unbedingt leistungssteigernd. Zudem wird so auch die Sozialisierung mit neuen Menschen nicht gefördert. Die selbstständige Gruppenbildung kann auch das Leben von weniger beliebten Studierenden erschweren, die so möglicherweise Schwierigkeiten haben, eine geeignete Gruppe zu finden.
Was hat das mit mir zu tun?
Wenn Sie in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Gruppenarbeiten gemacht haben, ist es verständlich, dass Sie sich Sorgen machen. An der Universität sind die Studierenden erwachsen und vielleicht ein wenig toleranter als in der obligatorischen Schule.
Jeder hat in einer Gruppe seine Lieblingsrollen. Manche Menschen sind natürliche Anführer, die gut darin sind, Dinge voranzutreiben. Manche Menschen sind sehr kreativ und zeichnen sich durch die Generierung innovativer Ideen aus. Manche sind hervorragend im administrativen Bereich und stellen sicher, dass Termine vereinbart und protokolliert werden. Manche sind gut darin, die Gruppe zu vereinen und allen Personen das Gefühl zu geben, Teil eines Teams zu sein. Manche Leute machen fabelhafte Folien, andere sind gut in der Literaturrecherche oder im Reden vor Publikum. Die meisten Menschen haben sowohl Stärken und Vorlieben als auch Schwächen und Abneigungen.
Es ist wichtig zu wissen, worin man gut ist und das auf eine natürlich, nicht arrogante Art mitteilen zu können. Das kann nämlich helfen, die eigenen Stärken im Team einzusetzen. Ebenso wichtig ist es, die eigenen Schwächen zu kennen, um bestimmte Rollen in einer Gruppe nicht einzunehmen.
„Das Präsentieren von Arbeiten in der Öffentlichkeit war anfangs wirklich mühsam, aber nach und nach wurde es immer einfacher.“ (L., Student aus Finnland)
Mit Gleichaltrigen arbeiten und lernen
Nebst der Tatsache, dass es in manchen Kursen Gruppenarbeiten gibt, richten Studierende häufig einen Gruppenchat für den gesamten Kurs ein (oft über WhatsApp oder ähnliche Plattformen). Der Gruppenchat dient dazu, sich bei Unklarheiten untereinander auszutauschen und Fragen zu stellen – fernab von den Augen der Dozierenden.
Dieses Medium kann die Kontaktaufnahme und Interaktionen mit den Mitstudierenden vereinfachen, da einige Ursachen von Missverständnissen, die mit dem sozialen Hintergrund und direkten verbalen Interaktionen zusammenhängen, umgangen werden können. Jedoch erfordert der Umgang mit diesem Medium auch eine gewisse Wachsamkeit, da in einem Gruppenchat Informationen aller Art ausgetauscht werden – wichtige und unwichtige, richtige und falsche.
Eine gute Möglichkeit mit anderen Studierenden in Kontakt zu treten, besteht z.B. darin, Austauschmöglichkeiten für das gegenseitige Korrekturlesen von Arbeiten anzubieten. Beim Feedback geben, kann man lernen, Fakten auf eine konstruktive Art und Weise zu kommunizieren.
Was ist der nächste Schritt?
Überlegen Sie sich, wo im Hinblick auf Gruppenarbeiten Ihre Stärken liegen und wo sie diesbezüglich noch Schwierigkeiten haben.
Praktische Tipps
- Hören Sie sich die Ideen und Meinungen der Mitstudierenden an.
- Vertiefen Sie neue Ideen, die für Sie interessant sind.
- Wenn Sie denken, dass es hilfreich sein könnte, erzählen Sie Ihren Kollegen von Ihrer Autismus-Spektrum-Störung, damit sie ggf. verstehen können, wie es Ihre Verhaltensweisen beeinflusst.
- Erstellen Sie eine Liste mit zwei Spalten. Notieren Sie in der linken Spalte alle Dinge, die Ihnen in Bezug auf die Gruppenarbeit Sorgen bereiten. In der rechten Spalte notieren Sie, wie Sie diese Probleme lösen könnten.
- Nehmen Sie sich Zeit, um mit einer Vertrauensperson über diese Liste zu sprechen.
- Wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich mit Ihren Mitstudierenden auszutauschen, ist vielleicht eine Kontaktaufnahme über den WhatsApp-Chat Ihres Studienganges einfacher.
- Wenn Sie in den Chat eingebunden sind, sollten Sie diesen nicht mit zu vielen Nachrichten überlasten.
- Wenn Sie eine Bitte haben, kann es hilfreich sein, darüber nachzudenken, was Sie im Gegenzug anbieten können.
- Wenn Sie jemandem ein Feedback geben, bleiben Sie bei den Fakten, um dem Gegenüber nicht vor den Kopf zu stossen.
- Nutzen Sie Gruppenarbeiten, denn sie geben Ihnen die Chance, Ihre überfachlichen Kompetenzen zu entwickeln.
- Wenn Mitglieder Ihrer Gruppe Ideen einbringen, die Sie für falsch halten, stellen Sie zuerst Fragen. So können Sie die Ideen besser verstehen. Erst danach bringen Sie dann die eigenen Ideen ein.
- Legen Sie Grundregeln für die Gruppenarbeit und die Kommunikation fest: z. B. Häufigkeit der Treffen, Art des Feedbacks, Kommunikationsmittel, gesetzte Fristen.
- Unterscheiden Sie zwischen verschiedenen Arten von Zielen. Gruppenarbeiten sind z.B. nicht immer produktiv, aber sie ermöglichen es Ihnen, die Mitstudierenden besser kennen zu lernen.
- Zögern Sie nicht Teil einer Lerngruppe zu werden, auch wenn Sie niemanden kennen.
- Im Kapitel Übergang ins Berufsleben finden Sie nützliche Hinweise, wie Sie Ihre überfachlichen Kompetenzen sichtbar machen können.
Fragen, die Sie sich stellen sollten
- Möchten Sie der Gruppe mitteilen, dass Sie eine Autismus-Spektrum-Störung haben und inwiefern sich dies auf Sie auswirkt?
- Haben Sie Arbeits- und Kommunikationsregeln für Ihre Gruppe festgelegt?
- Könnten Sie sich mit den Mitgliedern Ihrer Gruppe anfreunden?
- Wissen Sie, welche Rollen die Personen in der Gruppe einnehmen?
- Welche Rolle spielen Sie in der Gruppe?
- Wie wird die Arbeit gerecht verteilt?
- Welche Strategien haben Sie, wenn während einer Gruppenarbeit z.B. folgende Herausforderungen auftreten:
- Wenn jemand nicht zu den Treffen erscheint?
- Wenn Gruppenmitglieder Spass haben und so die Arbeit verhindern?
- Wenn sich einzelne Gruppenmitglieder nicht engagieren oder Schwierigkeiten haben?
- Wenn eine Person nicht gut Deutsch spricht?
- Wie organisieren Sie sich angesichts des Abgabetermins?
- Über welche Strategien verfügen Sie, falls es innerhalb der Gruppe zu Meinungsverschiedenheiten kommen würde?
Zusätzliche Informationen
- MyPLE – hilfreiche Computertools
- Seminare verwalten
Über den Autor
Nathalie Quartenoud ©
Übsersetzt von Gina Nenninger